Antisemitismus ist ein Problem in unserer Gesellschaft, das in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit bekommen hat. Damit gehen Forderungen und Erwartungen aus Politik und Gesellschaft an die Schule einher. Das ist verständlich und richtig, denn schließlich hat Schule in allen Herrschaftsformen eine zentrale Funktion bei der Bildung und Erziehung von Bürger:innen. Demokratie ist zudem „die einzige Staatsform […], die gelernt werden muss“ (Oskar Negt). Sie stellt daher besondere Anforderungen an die Schule und bedarf einer auf politische Mündigkeit ausgerichteten Politischen Bildung. Die mit oftmals reflexartigen Zurufen an die Schule verbundene Annahme, dass Probleme wie Antisemitismus oder auch andere Ideologien der Ungleichheit wie zum Beispiel Rassismus in der Schule einfach korrigiert werden könnten, ist jedoch irreführend. Dabei wird außer Acht gelassen, dass (formale) Bildung per se bzw. auch Wissen über Antisemitismus nicht automatisch gegen Antisemitismus wirken. Überdies wird verkannt, dass Schule selbst ein Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse ist. Wenn also Antisemitismus ein Problem in unserer Gesellschaft ist, dann existiert und wirkt er auch in der Schule.
Antisemitismuskritische Bildung setzt neben Wissen über Antisemitismus immer die kritische Auseinandersetzung mit seinen Funktionen und seiner Wirkung in der Gesellschaft sowie in der Schule voraus. Der Reflexion eigener lebensweltlicher Bezüge zu Antisemitismus und damit einhergehender Prägungen kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die Bezugnahme auf Rassismuskritik hat nicht nur theoretische Relevanz, sondern ist darüber hinaus auch eine Gelingensbedingung für die Praxis.
Damit Schule einen Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit Antisemitismus in unserer Gesellschaft leisten kann, braucht es mehr als die lehrplangemäße Thematisierung von Antisemitismus im Unterricht und dafür geeignete pädagogisch-didaktische Ansätze sowie Unterrichtsmaterialien. Antisemitismuskritik muss als Kriterium für Schulqualität und Anforderung an Schulentwicklung verstanden werden. Ein solches Verständnis verlangt nach Maßnahmen im Bereich der Bildungsverwaltung, der Einrichtungen der Lehrpersonenbildung und nicht zuletzt nach aktiver Unterstützung politischer Entscheidungsträger:innen. Vor allem aber muss ein kritischer Blick auf den gegenwärtigen Umgang mit Antisemitismus in Schule und Gesellschaft geworfen werden. Eine schulübergreifende Lehrer:innenfortbildung im Sommersemester 2024 an der PH Wien soll vor diesem Hintergrund Impulse für die Schulentwicklung setzen:
Antisemitismuskritische Bildung: Demokratie lernen, Antisemitismus und Rassismus entgegentreten
Die Veranstaltung ist als SCHÜLF für Schulen der Sekundarstufe geplant. Erwünscht wird die Teilnahme von mindestens drei Personen pro Schulstandort und von Kolleg:innen unterschiedlicher Fachrichtungen.
Für Fragen und Anmeldungen (bis 30.11.2023) wenden Sie sich bitte an Stefan Schmid-Heher (stefan.schmid-heher@phwien.ac.at).
[i] Dieser Text bezieht sich auf Empfehlungen zur Umsetzung der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus im Bildungsbereich, die im Auftrag des BMBWF erstellt wurden (Jana Rosenfeld, Stefan Schmid-Heher und Romina Wiegemann, Prävention von Antisemitismus durch Bildung. Empfehlungen zur Umsetzung der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus für die österreichische Bildungsverwaltung und Einrichtung der Lehrpersonenbildung, Wien 2022) und ist eine Kurzversion des unter dem gleichen Titel veröffentlichten Beitrags in: Philipp Mittnik, Georg Lauß und Stefan Schmid-Heher (Hg.), Antisemitismus in der Schule. Impulse für den Unterricht. Wien 2023.
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